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4. Dezember 2020
Zum Download des Audiowalks und der zusätzlichen Materialien
Nachts spazieren gehen, sich einfach durch die Straßen treiben lassen? Für viele, vor allem für weiblich gelesene, Personen ist das mit Angst verbunden. Von klein auf kriegen insbesondere Mädchen erzählt, dass es für sie nicht mehr sicher draußen ist sobald es dunkel wird. Wer doch unterwegs sein muss, geht häufig Umwege, geht schneller oder langsamer, achtet auf jedes Geräusch – jede Bewegung ist bewusst; sich aber Zeit nehmen zum Treiben lassen und Verlaufen? Der Audiowalk „The Strange Half-Absence of Wandering At Night“ von Johanna Steindorf begleitet historische und fiktive Frauenfiguren mit Einkehr der Dämmerung bis in die Nacht und versucht den Spieß umzudrehen: Was ist, wenn die Nacht auch Schutz bieten kann? Wenn sie uns unsichtbar macht, Eindeutigkeiten verwischt, kann sie auch Freiheit bieten? Oder müssen sich als weiblich gelesene Körper die Freiheit durch die Nacht zu flanieren immer wieder neu aneignen?
Am 28. und 29. November 2020 sind wir den Walk gemeinsam – jede:r der jeweils 25 Teilnehmer:innen für sich ab der eigenen Haustür – gelaufen und haben danach mit Johanna Steindorf per Videokonferenz gesprochen. Zentral waren der Austausch über eigene Erfahrungen und Strategien des nächtlichen Umherschweifens sowie Überlegungen, was radikale Flânesuerie in diesem Sinne sein könnte. Welche Perspektiven fehlen vielleicht noch? Was ist mit dem Erleben rassifizierter, queerer, be_hinderterter Körper? Was liegt noch im Dunkeln, wenn wir über das nächtliche Bewegen nachdenken? Und wo können wir uns zusammenschließen und gemeinsam flanieren? Wir waren uns jedenfalls einig, dass radiale Flâneuserie eine kollektive, fürsorgliche Angelegenheit ist.
Wer die Nacht wie wahrnimmt und empfindet, hängt von unserer Sozialisation, unseren Erfahrungen, Erinnerungen und Eindrücken ab; davon wie wir gesellschaftlich verortet sind und wo wir uns wie bewegen (können). Die gemeinsamen Diskussionen und Gespräche in der Veranstaltung haben vielleicht mehr Fragen aufgeworfen als Antworten geliefert. Aber die Suche nach nocturnal feminism hat ja auch gerade erst begonnen…
Wer keinen Platz mehr für einen der Termine ergattern konnte, kann sich den Audiowalk sowie den Mitschnitt des Gesprächs mit Johanna Steindorf inkl. englischer/deutscher Transkripte vom 28. November hier herunterladen. An diesem Tag war ebenfalls Neha Singh zu Gast, die gemeinsam mit anderen Frauen nachts durch die Mumbaier Straßen zieht und das gemeinsame Rumhängen [loitering] aktivistisch praktiziert. Neha wird auch im Mai 2021 zum Festival mit einem eigenen Beitrag kommen.
Mehr zur Künstlerin:
Johanna Steindorf ist Medienkünstlerin, hat in Rio de Janeiro und Köln studiert und ihre Doktorarbeit zum “Audiowalk als künstlerische Praxis und Methode” an der Bauhaus-Universität in Weimar geschrieben. Neben ihrer künstlerischen Arbeit lehrt sie auch als Dozentin u.a. an der Uni Köln und der Uni Siegen. Geboren in Ecuador, aufgewachsen in verschiedenen Ländern, lebt sie seit 2006 in Deutschland. Ihre eigenen Erfahrungen fließen in ihre Arbeit ein, die sich mit Geschlecht, Migration und dem öffentlichen Raum – vor allem aber dem Umherschweifen und Bewegen darin beschäftigen und dabei auch die Themen Nacht und Dunkelheit berühren, wie die auto-biografisch geprägte Audio-Installation Lusco-Fusco. Wir können euch nur ans Herz legen, euch auch andere Arbeiten von Johanna anzuschauen. Mehr zu Johanna und ihren Arbeiten findet ihr auf www.johannasteindorf.de.
Downloads
Audiowalk „The Strange Half-Absence Of Wandering At Night“
Transcript of the audiowalk plus sources (DE) (PDF)